BERLINER MORGENPOST

Wer raucht, fliegt raus - und das ist rechtlich zulässig

Der Berliner Eitmann-Verlag beschäftigt nur Nichtraucher - Selbst in der Freizeit gilt laut Vertrag Qualmverbot

Von Nikolaus Doll

Berlin - Bedrohliche Rauchzeichen aus dem Reichstag: Immer mehr Bundespolitiker fordern amerikanische Verhältnisse, wollen Behörden, öffentliche Plätze und Krankenhäuser, sogar Restaurants oder Bars zu absolut rauchfreien Zonen erklären. Der jüngste Vorstoß kommt von Werner Lensing, Bundestagsabgeordneter der CDU: "Ich bin für ein absolutes Rauchverbot überall dort, wo auch Nichtraucher sind - also auch in Gaststätten." In Berlin hat Lensings Anti-Qualm-Kampagne bereits ersten Erfolg, beim Eitmann-Verlag herrscht absolutes Rauchverbot. "Nikotinkonsum ist bei uns strikt untersagt", sagt Verlagsleiter Frank Wöckel. Im Übrigen beschäftigen wir ausschließlich überzeugte Nichtraucher."

Noch sind flächendeckend rauchfreie Zonen nichts als blauer Dunst, gleichen Kneipen wahren Räucherkammern, und in den Betrieben ist mindestens in zahlreichen Raucherecken dicke Luft. Doch Verlagschef Wöckel kennt beim Thema Zigaretten kein Pardon, wer einen Arbeitsvertrag bei ihm unterschreibt, muss eidesstattlich versichern, überzeugter Nichtraucher zu sein. "Wir expandieren, suchen ständig neue Mitarbeiter. Bereits beim ersten Gespräch frage ich nach den Rauchgewohnheiten. Wenn einer zur Zigarette greift, hat sich die Sache sofort erledigt", sagt Wöckel. Und er setzt noch einen drauf: "Überzeugter Nichtraucher zu sein, bedeutet, dass man auch in der Freizeit die Finger von Zigaretten lässt. Das erwarten wir von unseren Mitarbeitern."

Eine Unternehmensphilosophie, die auch nach Feierabend gilt, da laufen Arbeitsrechtsexperten Sturm. Was kümmert es den Chef, was die Mitarbeiter nach Dienst tun, schließlich gibt es ein Persönlichkeitsrecht. Kann Wöckel also gerichtlich verdonnert werden, selbst Havanna-Raucher beschäftigen zu müssen? "Das Persönlichkeitsrecht stößt an seine Grenzen wenn es gesetzliche Bestimmungen gibt", sagt die Berliner Arbeitsrechtsexpertin Dr. Jutta Glock. "Ein Rauchverbot in Betrieben ist zulässig. Was in der Freizeit passiert, ist allerdings allein Sache des Arbeitsnehmers", sagt die Fachanwältin. Wöckel beruft sich jedoch darauf, sein Verlag sei ein Tendenzbetrieb, wie die Kirchen, die bei Kirchenaustritt eines Mitarbeiters sofort kündigen dürfen. "Wir veröffentlichen vor allem Bücher gegen das Rauchen. Wer daher raucht, wird nicht eingestellt", so Wöckel. Kein Einspruch von Jutta Glock: "Es gilt das Prinzip der Vertragsfreiheit, niemand kann einen Arbeitgeber zwingen, einen Arbeitsvertrag abzuschließen. Aber kein Gericht hat bisher bescheinigt, dass ein Nichtraucher-Verlag ein Tendenzbetrieb ist - eine offene Frage." Wer raucht, hat bei Wöckel keine Chance - juristisch gesehen zu Recht.

(BERLINER MORGENPOST vom 18.08.2003,
URL: HTTP://MORGENPOST.BERLIN1.DE/ARCHIV2003/030818/WIRTSCHAFT/STORY623500.HTML)



BILD AM SONNTAG

Erste Firma stellt nur Nichtraucher ein

Klausel im Arbeitsvertrag – rauchfrei auch nach Feierabend

Von KATRIN THAMM

Raucher haben beim Berliner Eitmann-Verlag keine Chance. Als erste deutsche Firma stellen Verlagsinhaber Jens Eitmann und sein Verlagsleiter Frank Wöckel ausschließlich Nichtraucher ein.

„Wir wollen Signale setzen zum Schutz der Nichtraucher. Wir verlegen Bücher über Umwelt, Gesundheit und die Schädlichkeit des Passivrauchens. Mitarbeiter, die qualmen, passen nicht zu uns“, erklärt Wöckel.

Die 13 Mitarbeiter mussten vor der Einstellung nicht nur mündlich versichern, Nichtraucher zu sein. Es steht auch als besondere Klausel in ihrem Arbeits- oder Praktikumsvertrag. Dort heißt es unter Punkt 9 (Besondere Voraussetzungen): „Der Mitarbeiter versichert eidesstattlich, dass er überzeugter Nichtraucher ist.“

Das gilt, laut Wöckel, nicht nur während der Arbeitszeit. „Unsere Mitarbeiter dürfen auch in ihrer Freizeit nicht zur Zigarette greifen, das wäre Vertragsbruch.“ Wöckel sieht sich im Recht: „Wir wollen eben nur Mitarbeiter, die überzeugt sind von dem, was wir machen.“

Würde so eine Regelung Schule machen, müssten zum Beispiel die Mitarbeiter von Zigarettenhersteller Reemtsma eigentlich zum Rauchen verpflichtet werden. Aber: „Selbstverständlich ist das Rauchen für uns kein Einstellungskriterium“, sagt Reemtsma-Sprecher Lars Großkurth (29), „wir legen Wert auf verständnisvollen Umgang zwischen Rauchern und Nichtrauchern. Wer glaubt, mit Verboten auch noch die Freizeit seiner Mitarbeiter regeln zu können, schafft eine Arbeitsatmosphäre, in der der Mitarbeiter permanent überwacht wird. Das wollen wir nicht.“

Und obwohl bei Optiker Fielmann fast alle Verkaufsmitarbeiter Brille tragen, versichert Sprecher Matthias Branahal (40): „Das ist kein Vertragsbestandteil, es gibt auch keine interne Anweisung für die Mitarbeiter, dass sie Brille tragen müssen.“

Auch Autohersteller Ford setzt nicht auf zwangsverordnetes Ford-Fahren, sondern auf günstige Dienstwagenregelungen, die bestimmte Mitarbeitergruppen in Anspruch nehmen können. „Diese Wagen kommen natürlich aus unserem Hause. Die Konditionen sind so attraktiv, dass es sich von selbst ergibt, dass sie genutzt werden“, so Ford-Sprecherin Astrid Wagner.

Bekleidungshersteller GAP dagegen erwartet von seinen Mitarbeitern weltweit, dass sie während der Arbeit auch GAP-Mode tragen – dafür erhalten sie großzügige Preisnachlässe.

Rechtlich scheint die Nichtraucherklausel des Berliner Eitmann-Verlags ohnehin nur blauer Dunst zu sein. „Die Regelung halte ich für skandalös, ein Arbeitgeber darf keinen so weit gehenden Eingriff in die Freizeit des Arbeitnehmers vornehmen“, sagt Arbeitsrechtsexperte Professor Wolfgang Däubler (64) von der Uni Bremen.

(BILD AM SONNTAG von Pfingsten 2003,
URL: http://www.bild.t-online.de/BTO/news/2003/06/08/nichtraucher/nichtraucher__firma__vertrag.html)


Gegendarstellung unseres Juristen


B. Z.

Erste Berliner Firma stellt nur noch Nichtraucher ein

Zum Weltnichtrauchertag

Von KATHRIN REISINGER

Tabakqualm? Nein Danke! In Berlin gibt's jetzt die erste Firma, die nur Nichtraucher einstellt. Mehr noch: Im Arbeitsvertrag muss jeder eidesstattlich erklären, dass er überzeugter Nichtraucher ist und auch in seiner Freizeit nicht qualmt.

13 Mitarbeiter hat der Eitmann-Verlag. Verlegt werden - natürlich - Bücher über Gesundheit, Umwelt und eben das Rauchen bzw. Nichtrauchen. Verleger Jens Eitmann: "Wir möchten Mitarbeiter haben, die überzeugt sind von dem, was sie machen. Wir können nicht Bücher über das gefährliche Passiv-Rauchen herausgeben und auf einer Party abends die Leute vollqualmen." Verlagsleiter Frank Wöckel: "Außerdem fehlen Raucher 3 bis 5 Mal häufiger am Arbeitsplatz. Einmal durch Krankheit, aber auch allein durch die Raucherpausen kommt da pro Arbeitnehmer durchschnittlich ein Monat pro Jahr zusammen!"

Das mit der eidesstattlichen Erklärung ist dann aber wohl doch nur ein symbolischer Akt. Klaus-Peter Schwertner, Berliner Anwalt für Arbeitsrecht: "Völliger Unsinn. Eidesstattliche Erklärungen gibt's nur in Verfahren."

(B.Z. vom 31. 05. 2003, URL: http://bzarchiv.berlin1.de/archiv/030531_pdf/BZ030531_013_00.htm)

Gegendarstellung unseres Juristen


DIE TAGESZEITUNG

Widerstand gegen die Raucherdiktatur

fordert Frank Wöckel, Gründer der "Kampagne für die Rechte der Nichtraucher", und erklärt die Verbreitung von Tabakqualm zu einer Straftat. Berlin sei unbestritten die Raucherhauptstadt und daher der Sitz der Kampagne

taz: Herr Wöckel, leiden Sie unter Tabakqualm oder darunter, sich nicht durchsetzen zu können?

Frank Wöckel: Tolerare heißt auf lateinisch leiden und dulden. Aber da, wo wir gesundheitlich geschädigt werden, ist Toleranz Dummheit. Toleranz gegenüber Straftaten, und darum geht es hier, ist nicht akzeptabel.

Seit wann gehören denn Raucher hinter Gitter?

Rauchen ist eine Körperverletzung, das ist eine Straftat. Die Gesundheit der Nichtraucher wird geschädigt, das ist gemäß Paragraf 223 Strafgesetzbuch strafbar. Zudem eine Nötigung gemäß Paragraf 240.

Da konkurriert doch die Freiheit des Rauchers mit dem Recht des Nichtrauchers.

Wir Passivrauch-Geschädigten werden in unserer freien Entfaltung massiv gehindert. Viele Orte können wir doch gar nicht aufsuchen. Schlimmer noch: Der größte Teil der Arbeitsplätze kommt für uns gar nicht in Betracht, weil da gequalmt wird.

Das heißt, Rauchen beschneidet Ihre Grundrechte?

Wir Passivrauch-Betroffene werden in der Raucherdiktatur Deutschland massiv aus dem gesellschaftlichen Leben, der Ausbildung und dem Arbeitsleben ausgegrenzt.

Ist Berlin da nicht der falsche Ort für Sie?

Berlin ist unbestritten die Raucherhauptstadt, deshalb habe ich die Kampagne ja hier gegründet. Geraucht wird in Deutschland aber generell sehr viel. Wir sind Weltmeister darin, und in keinem anderen Land der Welt gibt es prozentual so viele tabaksüchtige Minderjährige. Kaum anderswo wird zudem die Gesundheitsschädigung durch Tabakrauch so ignoriert und toleriert wie bei uns.

Wie wird man zu einem solch entschlossenen Widerstandskämpfer?

Schon als Kind war ich Opfer des Passivrauchens. Ich bin bequalmt worden und habe darunter, wie viele Kinder heute noch, gelitten. Die Erwachsenen, auch die nicht rauchenden, dulden das zumeist einfach. Ob in der Schule oder der U-Bahn, man wird überall bequalmt. Aus Sicht der Erwachsenen ist es normal, dass Kinder mit Tabakrauch misshandelt werden. Später, auf meiner Arbeitsstelle, wurde dann trotz Rauchverbotes von der Leitung nichts gegen die notorischen Raucher unternommen. Da sah ich mich gezwungen, eine Kampagne ins Leben zu rufen und gegen die Raucherdiktatur in den Widerstand zu gehen.

Widerstand. Diktatur. Sind Sie militanter Nichtraucher?

Das ist doch ein ganz dummes Schlagwort, das die Massenmedien immer wieder gerne gebrauchen, um uns zu diskreditieren. Ich sage, ich kämpfe für meine Rechte.

Außer Fenster aufreißen - wie sieht das aus?

Die Kampagne hilft Passivrauch-Opfern, zu einem wirksamen Rechtsschutz zu kommen. Wir bieten Hilfe zur Selbsthilfe in Form von kopierfähigen Vorlagen. In meinem Buch "Aktiv gegen Passivrauchen" gibt es eine ausführliche Handlungsanweisung, wie man vorgehen kann. Also wie man sich rechtlich einwandfrei bei den Verantwortlichen beschwert, Verbesserungen anregt, Petitionen startet, Strafanzeigen stellt und Entschädigungsansprüche geltend macht.

Gehen Sie eigentlich ab und zu in eine Kneipe?

Nein, wir rufen auf zum Totalboykott der Gastronomie. Ich werde mich doch nicht freiwillig in eine Einrichtung begeben, wo ich mit hochgradig giftigen und Krebs erzeugenden Stoffen attackiert werde."

INTERVIEW: A. WOLTERSDORF
(DIE TAGESZEITUNG vom 31. 05. 2002, URL: http://www.taz.de/pt/2002/05/31/a0177.nf/text)



SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

Reicht eine Zigarette als Kündigungsgrund?

Ein Berliner Verleger verbietet seinen Mitarbeitern das Rauchen - auch in der Freizeit.

(SZ vom 14.6.2003) „Nikotiniker“ nennt Frank Wöckel Leute, die rauchen. Und da der Chef des Berliner Eitmann-Verlages so wenig wie möglich mit Nikotinikern zu tun haben will, verbietet er seinen Mitarbeitern das Rauchen. Jutta Göricke, Nichtraucherin, sprach mit Wöckel, Extrem-Nichtraucher.

SZ: Seit Oktober vergangenen Jahres sind Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, Nichtraucher im Betrieb vor Qualm zu schützen. Sie, Herr Wöckel, haben eine gewisse Berühmtheit erlangt, weil Sie Ihren Mitarbeitern das Rauchen gleich ganz verbieten. Warum tun Sie das?

Wöckel: Schon allein aus wirtschaftlichen Gründen. Ein Nikotiniker, der täglich während der Arbeitszeit zehn Zigaretten raucht, erschleicht sich einen Monat ungesetzliche Pausen im Jahr. Dazu kommt dann noch der Arbeitsausfall durch Krankheit. Laut der American Cancer Society fehlen Nikotiniker drei- bis fünfmal häufiger krankheitsbedingt. Und natürlich werden auch die Passiv-Raucher häufiger krank.

SZ: Rauchverbot am Arbeitsplatz ist jedem sympathisch, dem der Qualm der Kollegen zu sehr auf die Lunge schlägt. Aber in der Freizeit, muss das sein?

Wöckel: Wir verlegen Bücher zum Thema Passivrauchen, eines heißt etwa „Körperverletzung durch Passivrauchen“. Da ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit, nach den eigenen Empfehlungen zu handeln. Deshalb wollen wir auch Mitarbeiter, die hinter unseren Ideen stehen.

SZ: Wie können Sie Ihre Belegschaft – elf Honorarkräfte und Praktikanten – denn kontrollieren?

Wöckel: Bei den meisten ist das kein Problem. Die kenne ich. Die haben nie geraucht und werden nie rauchen. Nur mit den Praktikanten ist es schwieriger. Da habe ich zum Beispiel im Gespräch mit der Mutter einer Bewerberin herausbekommen, dass die Tochter gelegentlich raucht. Deswegen haben wir die Arbeitsverträge geändert. Unsere Mitarbeiter müssen jetzt an Eides statt erklären, dass sie überzeugte Nichtraucher sind.

SZ: Was passiert, wenn Sie einen Kollegen nach Feierabend am Wannsee mit Fluppe ertappen?

Wöckel: Dem würde ich umgehend kündigen. Und dass er uns hintergangen hat, würde sich natürlich auch im Arbeitszeugnis niederschlagen.

SZ: Nur der Logik halber: Sollte Philip Morris Ihrer Meinung nach künftig ausschließlich Raucher einstellen?

Wöckel: Ja, die Tabakkonzerne sollten nur Nikotiniker beschäftigen. Denn das wäre ihr wirtschaftliches Ende.

SZ: Sie wissen, dass Arbeitsrechtsexperten Ihre Vertragsklausel für Humbug halten, die vor Gericht kaum Bestand hätte. Abgesehen davon: Macht es Ihnen nichts aus, derart in die Persönlichkeitsrechte anderer einzugreifen?

Wöckel: Es ist genau umgekehrt. Seit ich denken kann, beschneiden Nikotiniker meine Grundrechte. Wir üben zivilen Ungehorsam, so wie Mahatma Gandhi.

SZ: Man sagt, die Kritiker der Elche waren früher selber welche. Haben Sie jemals geraucht?

Wöckel: Ich bin von Kindheit an zwangsberaucht worden. Das reicht doch wohl, oder?

(SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vom 14. /15. 06. 2003,
URL: http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/berufstudium/artikel/924/12912/)


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